(con Peter Hächler)
Italo Valenti ist ein Künstler, den – mehr als die äussere Erscheinung – die Natur der Dinge beschäftigt und zur Darstellung reizt. Ein Stein, eine Frucht, ein Tier sind für ihn nicht bloss das Zusammentreffen von Formen und Farben, die, im Kunstwerk nachgebildet, beim Beschauer dieselben Sensationen auslösen wie die Originale; er sieht in ihnen Wesen, die betastet, in der Hand gewogen, geliebt sein wollen. Wer eine Sache liebt, möchte ihrer auch habhaft werden. Dieser Wunsch nach Besitz ist beim Künstler gleichbedeutend mit dem schöpferischen Akt. Man ahnt das Dilemma des jungen Valenti: Er liebt die Dinge, und er möchte seiner Liebe gestaltend Ausdruck geben, weiss aber, dass er dieses Ziel durch die blosse Nachahmung ihrer äusseren Erscheinung nie erreichen wird. Der Ausweg, der sich ihm fürs erste bietet, besteht darin, dass er nicht die greifbare Wirklichkeit, sondern Träume abbildet. Träume, in denen Kinderdrachen, Eisenbahnzüge, Schiffe, fabelhafte Vögel und Himmelskörper eine Rolle spielen. Wollte man diese frühen Bilder als «gegenständlich» bezeichnen, so hiesse das ihre wahre Natur verkennen. Sie sind aus such stuff as dreams are made of, aus «dem Zeug, aus dem die Träume sind»: schwebend, gleitend wie Nachtgesichte und wie diese beklemmend und beseligend in einem. Sie haben ebenso grossen Anteil am Reich der Poesie wie an jenem der Malerei. So rein und unbeschwert sich diese Traumverdichtungen auch darstellten, der Maler muss gespürt haben, dass ihre Poesie einen Rest von Literatur enthielt, ein Element, das missgedeutet werden konnte und damit dem unmittelbaren Einverständnis mit dem Beschauer im Weg stand. Nun versuchte er, den poetischen Gehalt, der zur Mitteilung drängte, ohne den Umweg über das Traumerlebnis weiterzugeben. Das waren die Bilder der späten fünfziger Jahre: Auseinandersetzungen mit Natureindrücken und Kunsterlebnissen, die Valenti selber als «abstrakte Lyrismen» bezeichnet. Darauf folgten die Collagen, die den Künstler während nahezu eines Jahrzehnts so gut wie ausschliesslich beschäftigten und um die es in dieser Publikation geht. Was führte Valenti zur Collage? In erster Linie wieder die Liebe zum Ding. Ein Blatt Papier wird unter seiner Hand zu einer Sache, die ebenso kostbar und geheimnisvoll ist wie ein Blütenblatt, wie das zarte oder lederne Blatt eines Strauches oder Baumes. Dazu kommt, was André Gide la part de Dieu genannt hat: jene winzigen Zufälle, die sich beim Zerreissen und Einreissen des Papierbogens ereignen, und in denen sich das Unbewusste mit einer Eindeutigkeit offenbart, die dem planenden und gestaltenden Willen verschlossen bleibt. Der Wunsch endlich, Dreidimensionalität in die Bildfläche hinein-zutragen, der jedem Maler innewohnt, und dem bei der Collage auf so subtile wie überzeugende Art Genüge getan wird. Die Collagen Italo Valentis tragen die Titel: Fruit noir, Cratère de lune, La nuit, La tua ombra. Diese Bezeichnungen wurden nicht willkürlich gewählt; sie zeugen für eine innige Verbundenheit mit den Phänomenen der Natur. Doch brauchte es sie gar nicht, um die Verwandtschaft von Valentis Collagen mit der körnig-glatten Oberfläche eines Kiesels, der Marmorierung einer Platanenrinde, dem Samt eines Maulwurfbalges zu beweisen.